Wahlverhalten
Individuelle Entscheidungen haben Einfluss auf den Klimaschutz, aber die entscheidenden Weichen für eine klimaneutrale Welt kann nur die Politik stellen. Dabei spielt das Wahlverhalten der Menschen eine entscheidende Rolle.
Unterschiede im Wahlverhalten
emotional (eher viele) | <----> | überlegt (eher wenige) |
sprunghaft (Wechselwähler) | <----> | feste Überzeugungen (Parteiwähler) |
Inhalte | <----> | Äußerlichkeiten |
Das Wahlverhalten wird primär von der Vorliebe für eine Partei oder einen Kandidaten beeinflusst, aber auch deren Lösungsansätze für aktuelle Probleme sind relevant. Die Grundausrichtung eines Wählers wird stark durch sein soziales Umfeld geprägt, das Werte und Normen wie Ordnung, Respekt, Gleichheit oder Mitgefühl verfestigt. Viele Bürger sind jedoch aufgrund mangelnden politischen Interesses oft nicht umfassend informiert, weshalb sie sich bei der Wahl eines Kandidaten häufig auf die Parteizugehörigkeit oder Weltanschauung verlassen. Diese verfestigten Werte und Normen sowie die Vorliebe für eine Partei führen oft dazu, dass Wähler die positiven Seiten einer Partei betonen, während sie deren Probleme ausblenden.
Alterststruktur in Deutschland
Bei der Bundestagswahl 2021 waren nur 29 % der Wahlberechtigten in Deutschland unter 40 Jahre alt. Das Problem: Politiker richten ihre Programme eher an die ältere Wählergruppe, da hier die meisten Stimmen zu gewinnen sind. Betrachtet man das Wahlverhalten in Abhängigkeit vom Alter, zeigt sich, dass etablierte Parteien wie CDU und SPD umso häufiger gewählt werden, je älter die Wähler sind. Dies liegt einerseits an gefestigten Parteipräferenzen und andererseits an der hohen Bedeutung, die ältere Wähler der Ausstrahlung von Stabilität beimessen. Zudem bevorzugen ältere Wähler meist keine allzu radikalen Veränderungen – ein Aspekt, der auch die Klimapolitik beeinflusst.
Quelle
bundeswahlleiter.deQuelle
Tagesschau - infratest dimapAussagen um Klimaschutz zu verzögern
Um Untätigkeit oder unzureichende Anstrengungen im Klimaschutz zu rechtfertigen, werden Debatten von bestimmten Akteuren gezielt in eine Richtung gelenkt. In dem Paper discourses of climate delay (Cambridge University Press) werden verschiedene Aussagen aufgezeigt, deren Ziel es ist Klimaschutzmaßnahmen zu verzögern:
Verantwortung umlenken
jemand anderes sollte zuerst handeln
nicht-transformative Lösungen vorantreiben
Disruptive Veränderungen sind notwendig
Betonen der Schattenseiten
Der Wandel wird störend sein
Kapitulation
Es ist nicht möglich, den Klimawandel abzuschwächen
Quelle:
discourses of climate delayLamb, W., Mattioli, G., Levi, S., Roberts, J., Capstick, S., Creutzig, F., . . . Steinberger, J. (2020). Discourses of climate delay. Global Sustainability, 3, E17. doi:10.1017/sus.2020.13
übersetzt mit Deepl
Psychologie
Das Verhalten des Menschen ist maßgeblich verantwortlich für die Erderwärmung. Doch es gibt nicht den einen psychologischen Mechanismus, der die Untätigkeit in der Klimakrise erklärt. Vielmehr ist es ein komplexes Zusammenspiel aus Skepsis, Widerstand, Verharmlosung und Verdrängung, das sowohl Individuen als auch die Gesellschaft in defensive Verhaltensweisen drängt.
Zu den Abwehrverhalten zählen unter anderem:
Ungelöste Konflikte, die zu Unbehagen führen, wollen schnell beendet werden. Dies führt zu einer unbedingten Suche nach einer einfachen Wahrheit (kognitive Dissonanz). Die Psycholist for Future geben folgendes Beispiel an:
Wenn ich bspw. die wissenschaftlichen und politischen Warnungen vor den Folgen des Klimawandels ernstnehme, gleichzeitig aber einen sehr klimaschädlichen Lebensstil verfolge, dann entsteht eine Dissonanz [ein Konflikt], die nach Auflösung drängt. Ich kann einerseits weniger klimaschädlich leben. Ist mir dies, bspw. aus beruflichen Gründen, nicht möglich oder möchte ich einfach nicht auf bestimmte Annehmlichkeiten verzichten, dann überzeuge ich mich andererseits eher davon, dass mein Verhalten gar keine Rolle spielt oder der Klimawandel ungefährlich ist (Bagatellisierung). Oder dass es ihn gar nicht gibt (Verleugnung). Oder ich schiebe die Gedanken daran beiseite (Verdrängung)
Ein weiterer Punkt ist die Gruppennorm. Im Allgemeinen ist es in der Gesellschaft immer noch die Norm, sich klimaschädlich zu verhalten. Im persönlichen Bereich sind es vor allem die Familie, der Freundeskreis, der Beruf und die Lebensumstände, die unser Handeln beeinflussen. Auf gesellschaftlicher Ebene prägen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie gemeinsame Werte und Normen unser Verhalten.Je mehr Menschen sich klimafreundlich verhalten, desto stärker färbt dies auf die Gesellschaft ab.
Menschen handeln teilweise irrational und ihre Standpunkte sind nicht durchdacht, sondern emotional und ideologisch motiviert. Die Argumente für diese Position wirken nur auf den ersten Blick stichhaltig, fallen jedoch bei näherer Betrachtung in sich zusammen. Dennoch wird an diesen Gründen festgehalten – sei es aus Trotz oder weil eine Veränderung das Selbstbild oder Freiheitsgefühl bedroht.
Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Themen, um die man sich gleichzeitig kümmern kann. Probleme, die nicht dringend sind, werden auf diese Weise nicht bearbeitet. Wenn man sich gerade in problematischen Lebensumständen wie z.B. Geldnot, Beziehungsstress mit Freund*in/Familie, Stress auf der Arbeit befindet, ist es schwierig, sich gleichzeitig mit der Klimakrise zu beschäftigen.
Auch der zeitliche und räumliche Kontext hat einen Einfluss auf das Verhalten der Menschen in der Klimakrise. Die globale Klimakrise ist ein langfristiger Prozess, der sich langsam, aber mit zunehmender Intensität vollzieht. Dies kann dazu führen, dass die Gefahren noch weit entfernt erscheinen. Zudem erscheint ein globales Problem schwieriger zu lösen als ein kurzfristiges lokales Ereignis (z.B. Kind fällt in Brunnen).
Betroffenheit: Es macht einen Unterschied, ob man direkt von der Klimakrise betroffen ist (z.B. durch Dürre) oder nur davon gelesen oder gehört hat.
Fehlendes Wissen über die Gefahren der Klimakrise.
Ein weiteres Verhaltensmuster ist der Rebound- oder Bumerangeffekt: Energieeinsparungen werden immer wieder durch steigenden Energieverbrauch ausgeglichen. Im Verkehrssektor beispielsweise stoßen Pkw heute weniger CO2 aus als noch vor 10 oder 20 Jahren, doch durch die Zunahme des Pkw-Bestandes sind die Emissionen weltweit dennoch leicht gestiegen.
Der NIMBY-Effekt („Not in My Backyard“) beschreibt das Phänomen, dass Menschen ihre Einstellung schnell ändern, wenn sie persönlich betroffen sind, selbst wenn sie grundsätzlich von einer Sache überzeugt sind. Ein gutes Beispiel in der Klimakrise ist der Widerstand gegen den Bau von Windkraftanlagen in der Nähe von Wohngebieten oder die Reduktion des Fleischkonsums.
Quelle
Psychologists for FutureARTE-Doku: Klimawandel – Die Macht der Lobbyisten
Al Gore - Wege zum Gleichgewicht (Buch)