Einleitung
Warum arbeiten die Staaten beim Klimaschutz nicht zusammen?
Ein wichtiger Grund ist, dass die Vereinten Nationen eine Zusammenarbeit rechtlich nicht erzwingen können. Viele Staaten verfolgen nationale Interessen, die oft im Widerspruch zu den globalen Klimazielen stehen. So fällt es schwer, Länder, deren Wirtschaft stark von fossilen Brennstoffen abhängt, zu motivieren, ihre wirtschaftlichen Interessen zugunsten globaler Klimaziele aufzugeben.
Dies führt zu Blockaden auf internationalen Klimakonferenzen, bei denen Interessenunterschiede deutlich werden, wie etwa auf dem 24. Klimagipfel in Polen: Hier wollten die USA, Saudi-Arabien, Russland und Kuwait den Sonderbericht des IPCC zur 1,5°C-Erwärmung lediglich "zur Kenntnis nehmen", statt ihn zu "begrüßen". Schlussendlich einigten sich die Staaten darauf, nur die „rechtzeitige Fertigstellung“ des Berichts zu würdigen und ihn als Basis für weitere Diskussionen im Rahmen der UNFCCC (UN-Klimarahmenkonvention) zu verwenden.
Einflussnahme auf den Klimaschutzgipfeln
Die Bemühungen zu mehr Klimaschutz werden stark durch die Anwesenheit von Lobbyisten der fossilen Industrie auf Klimaschutzgipfeln (COP) beeinträchtigt. Eine Analyse der NGO Corporate Europe ergab, dass während der vorletzten COP in Ägypten im Jahr 2022 insgesamt 636 Vertreter der fossilen Brennstofflobby anwesend waren - keine Länderdelegation hatte mehr Teilnehmer. Darüber hinaus haben 18 der 20 Unternehmenspartner bei den Klimaverhandlungen in Ägypten Verbindungen zur Öl- und Gasindustrie, wie z.B. Coca-Cola. Eine Verbesserung der Situation ist in naher Zukunft nicht absehbar, wie die COP 28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten zeigt: Der Vorsitzende der UN-Klimaverhandlungen ist zugleich der Leiter der staatlichen Ölgesellschaft des Landes.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Finanzwelt. Auf ihrer Webseite schreibt die NGO Corporate Europe zur vorletzten COP 26 in Glasgow:
Unter der Führung des ehemaligen Gouverneurs der Bank of England, Mark Carney, und des Wall‐Street‐ Finanzmagnaten Mike Bloomberg übernahm die sogenannte Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) die Leitung der Governance‐Agenda für das private Finanzwesen. Dadurch wurde einigen der weltweit wichtigsten Investoren in fossile Brennstoffe und Entwaldung die Verantwortung für die Reform des Finanzsektors zur Bewältigung der Klimakrise überlassen, während öffentlichen Stellen nur noch eine beratende Rolle zugesprochen wurde.
Der Unterschied zwischen Unterschrift und Ratifikation
Die Unterzeichnung eines Klimavertrages ist rechtlich nicht bindend und signalisiert lediglich die Bereitschaft eines Staates, den Vertragsprozess fortzusetzen und den Inhalt anzuerkennen. Nach der Unterzeichnung wird der Vertrag in jedem Staat gemäß seinen nationalen Verfahren geprüft, beispielsweise durch die Zustimmung des Parlaments. Nach der Genehmigung im Rahmen der internen Prozesse erklärt der Staat gegenüber den anderen Vertragsparteien, dass er den Vertrag als verbindlich akzeptiert. Dieser Schritt wird als Ratifikation bezeichnet, wodurch der Vertrag offiziell für den Staat verbindlich wird.
Quelle:
UN Verträge ÜbersichtWas heißt "rechtlich bindend" in den Klimaverträgen?
Seit der Gründung des UNFCCC bzw. dem ersten Klimavertrag von Rio 1992 bauen die verschiedenen Klimaverträge aufeinander auf. Die Wirksamkeit der Verträge hängt jedoch von deren rechtlicher Formulierung ab.
Das Pariser Abkommen ist ein gutes Beispiel, um dies zu verdeutlichen: Der Vertrag ist für die unterzeichnenden Staaten zunächst rechtlich kaum bindend. Die Vereinbarung sieht keine Sanktionen wie Gebühren oder Embargos für Staaten vor, die gegen seine Bestimmungen verstoßen, und es gibt kein internationales Gericht oder ein internationales Gremium, das die Einhaltung des Abkommens durchsetzen könnte. Die Verbindlichkeit der Vereinbarung basiert daher hauptsächlich auf politischen Faktoren wie Eigeninteressen, öffentlichem Druck, internationalem Ansehen sowie der Möglichkeit, dass Staaten in UN-Versammlungen gegen Länder mit unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen abstimmen könnten. Erst nach der Ratifizierung in den einzelnen Ländern wird das Pariser Abkommen in nationales Recht umgesetzt und ist damit verbindlich. Diese Struktur kann aber auch positive Aspekte haben: Eine starre rechtliche Bindung an spezifische Emissionsziele könnte dazu führen, dass Länder ihre Ambitionen niedrig ansetzen, um mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung zu vermeiden. Nur die folgenden Elemente des Pariser Übereinkommens sind rechtlich bindend und beziehen sich hauptsächlich auf die Übermittlung von Klimazielvereinbarungen (Nationally Determined Contributions, NDCs):
1968 - Die UN beschäftigt sich erstmals mit Umweltproblemen
Der erste Umweltbericht der UN
Auf den Vorschlag Schwedens legt die UN einen Bericht mit dem Titel Activities of United Nations Organizations and Programmes Relevant to the Human Environment vor. Der Bericht beschäftigt sich mit den negativen Auswirkungen der Arbeits- und Lebensbedingungen in immer größer werdenden Städten auf die Gesundheit. Im Mittelpunkt steht das ungeplante und unkontrollierte Wachstum der Städte, das zu Luftverschmutzung, Verkehrsstaus, hohen Lärmpegeln, steigenden Unfallzahlen und psychischen Belastungen sowie zunehmender Kriminalität führt.
1972 - First Earth Summit & Gründung der UNEP
Ausgehend von dem 1968 vorgelegten Bericht wurde die Einberufung einer UN-Wissenschaftskonferenz über die menschliche Umwelt gefordert. Diese fand 1972 in Stockholm statt und ist bis heute als "First Earth Summit" bekannt. Dort wurden erstmals allgemeine umweltpolitische Ziele zur Erhaltung und Verbesserung der menschlichen Umwelt sowie ein Aktionsplan mit Empfehlungen für internationale Umweltmaßnahmen festgelegt. Obwohl diese Ziele nicht verbindlich waren, führte die Konferenz zu einer deutlichen Steigerung des Umweltbewusstseins. Außerdem wurden das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), der Umweltfonds und der Umweltkoordinierungsrat gegründet. Die UNEP organisiert Konferenzen zu Themen wie Artenschutz, Luftverschmutzung, nachhaltige Entwicklung, Trinkwasserversorgung und Verbesserung der sanitären Einrichtungen weltweit.
UN-Bericht über die menschliche Umwelt
Die 70er - Die Ölindustrie erforscht den Kohlenstoffkreislauf
Bereits Anfang der 1970er Jahre beauftragten die großen Ölkonzerne eigene Wissenschaftler mit der Erforschung der Auswirkungen von Treibhausgasen auf die Atmosphäre und das Klima. Neben Shell und BP war besonders Exxon führend in der Forschung.1,2 1978 übermittelte der wissenschaftliche Berater J. F. Black einen Bericht an den Vizepräsidenten der Exxon Research and Engineering Company, in dem er feststellte, dass es einen allgemeinen wissenschaftlichen Konsens über die wahrscheinlichen Auswirkungen der menschlichen Verbrennung fossiler Brennstoffe auf das globale Klima gibt. Weitere Forschung ist jedoch notwendig, um mehr Informationen zu erhalten und die Vorhersagen zu präzisieren.3
Exxon-Memo über den Treibhauseffekt
Auf der Seite von Greenpeace und dem Guardian kann man weitere Informationen zur Geschichte der Ölindustrie erfahren.
1979 - First World Climate Conference: Die Wissenschaft erkennt die Gefahren auf das Klima durch den Menschen an
Auszug aus dem Bericht der WMO in Genova
Im Jahr 1979 wurde auf der ersten Weltklimakonferenz offiziell anerkannt, dass der Mensch das Klima beeinflusst. Dies führte zur Einrichtung eines Weltklimaprogramms. Die wissenschaftliche Versammlung hatte "die ernste Sorge, dass die fortgesetzte Ausweitung der menschlichen Aktivitäten auf der Erde zu erheblichen regionalen und sogar globalen Klimaveränderungen führen könnte" und forderte die Staaten auf "mögliche vom Menschen verursachte Veränderungen des Klimas, die sich nachteilig auf das Wohlergehen der Menschheit auswirken könnten, vorherzusehen und zu verhindern". Die Auswirkung der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf den Treibhauseffekt und somit der globalen Temperatur war bekannt, obwohl es noch "keine experimentellen Beweise für eine Beeinflussung des Weltklimas durch menschliche Aktivitäten gibt".
Auszug aus dem Bericht der WMO in Genova
Darauf aufbauend finden zwischen 1980 und 1990 mehrere zwischenstaatliche Konferenzen zum Klimawandel statt, die weiter Aufmerksamkeit auf das Thema lenkten. Politische Entscheidungsträger, Wissenschaftler und Umweltschützer setzten sich sowohl mit wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch mit politischen Fragen auseinander.
Anfang der 80er Jahre - Die Deregulierung des Marktes beginnt
In den 1970er Jahren war die vorherrschende wirtschaftspolitische Idee, dass ein starker Staat durch gezielte Eingriffe in den Markt für Vollbeschäftigung und wirtschaftlichen Aufschwung sorgt. Dieses System war geprägt von einer Nachfrage- und Wachstumspolitik, die durch höhere Löhne für Arbeitnehmer und staatliche Konjunkturprogramme mehr Kaufkraft und Konsum schaffen sollte, wovon auch Unternehmen profitierten. In Krisenzeiten war es gängige Praxis, Staatsschulden aufzunehmen und Konjunkturprogramme zu initiieren, um die Wirtschaft anzukurbeln. Anfang der 1980er Jahre führte jedoch eine hohe Inflationsrate zu einem Wandel in dieser Denkweise, und es wurden neue wirtschaftspolitische Ansätze gesucht. Die Inflation wurde durch eine Drosselung der Ölförderung seitens der OPEC-Staaten ausgelöst, die damit Druck auf westliche Länder ausüben wollten. Mit der Wahl von Margaret Thatcher 1979 in Großbritannien und Ronald Reagan 1980 in den USA kam es schließlich zum Bruch mit der bisherigen Wirtschaftspolitik: Beide verfolgten das Ziel, die Inflation durch eine Deregulierung der Märkte zu bekämpfen. Das Zeitalter des "laissez-faire"-Liberalismus beginnt. In der Antrittsrede von Ronald Reagan wurde deutlich wie dieser Liberalismus aussehen sollte:
Wenn ich von Steuersenkungen spreche, denke ich daran, dass jede größere Steuersenkung in diesem Jahrhundert die Wirtschaft gestärkt, neue Produktivität erzeugt und am Ende neue Einnahmen für die Regierung gebracht hat, indem sie neue Investitionen, neue Arbeitsplätze und mehr Handel unter den Menschen geschaffen hat.
Somit wurde eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik mit geringeren Unternehmenssteuern und Lockerungen im Arbeits- und Umweltschutz gefördert. Diese Deregulierungsmaßnahmen sollten es den Unternehmen ermöglichen, effizienter und ungehemmter zu produzieren, was zu höherem Wirtschaftswachstum und damit zu mehr Wohlstand führen sollte. Durch die Öffnung der Märkte und den steigenden Konkurrenzdruck durch ausländische Unternehmen gerieten Gewerkschaften, die sich für nationale Regelungen wie Arbeitnehmerrechte einsetzten, zunehmend unter Druck. In der Folge verlagerte sich das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zunehmend zugunsten der Arbeitgeber. Gleichzeitig wurden staatliche Wirtschaftsbereiche privatisiert und Subventionen abgebaut. So strich Ronald Reagan beispielsweise staatliche Leistungen für die Entwicklung erneuerbarer Energien2, um die Staatsausgaben zu senken und die Verschuldung zu minimieren. Eine weitere Maßnahme war die Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte. Dadurch verringerte sich der Einfluss des Staates auf die Aufsicht und Gestaltung des Finanz- und Bankensektors, was letztlich zur Finanzkrise 2008 beitrug. Der Spitzensteuersatz wurde in Großbritannien von 83 % im Jahr 1975 auf 40 % im Jahr 1989 gesenkt, während in den USA im gleichen Zeitraum der Spitzensteuersatz von rund 70 % auf 28 % sank. Um neue Einnahmen zu generieren, wurden indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer erhöht, was besonders untere Einkommensgruppen belastet. Im Sozialstaat kam es zu Kürzungen, die auf den liberalen Gedanken der Eigenverantwortung und Stärkung des Individuums zurückgingen – jeder soll für sich selbst verantwortlich sein. Die Folge war ein Anstieg der Ungleichheit zwischen Arm und Reich in den USA: Die obersten 1 % der Bevölkerung steigerten ihren Vermögensanteil von 24 % (1989) auf 32 % (2019), während das Vermögen der unteren 50 bis 90 % der Amerikaner von 35 % im Jahr 1989 auf 28 % im Jahr 2019 schrumpfte3. International setzte sich der Siegeszug des Neoliberalismus mit der Gründung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank fort, die den Schutz von Märkten und Kapitalinteressen fördern. Der „laissez-faire“-Liberalismus fand auch in linken politischen Strömungen Anklang. Um die Jahrtausendwende regierten in den USA der Demokrat Bill Clinton, in Großbritannien Tony Blair von der Labour Party und in Deutschland Gerhard Schröder in einer rot-grünen Koalition. Sie alle verfolgten in ihrer Politik neoliberale Ansätze. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes und die Einführung atypischer Beschäftigungsverhältnisse wie befristete Arbeitsverträge und Leiharbeit führten zu einem großen Niedriglohnsektor1. Schlussendlich begünstigten diese Maßnahmen die Expansion der Unternehmen und verstärkten ihren Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit, der bis heute ungebrochen ist. Die Ausweitung des „laissez-faire“-Liberalismus seit den 1980er Jahren ist einer der wesentlichen Gründe für unzureichende Klimaschutzmaßnahmen.
Die 80er - die Öl-Industrie positioniert sich gegen die Wissenschaft
In den 80er Jahren bestätigte die weltweite Forschung einen immer deutlicher werdenden Zusammenhang zwischen den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen und der globalen Erwärmung. Auch die Ölkonzerne starteten große Forschungsprojekte zu diesem Thema. So gab Exxon Mobile, führend in der Klimaforschung, zeitweise bis zu 900.000 US-Dollar pro Jahr für die Erforschung von Treibhausgasen aus. Bereits im Jahr 1981 warnte Roger Cohen, ein hochrangiger Exxon-Wissenschaftler, in einem Memo davor, dass der Klimawandel "Auswirkungen haben könnte, die in der Tat katastrophal sein werden, zumindest für einen erheblichen Teil der Erdbevölkerung". 4 Obwohl sich die Wissenschaftler von Exxon über die Gefahren einig waren, gab der CEO eine Erklärung ab. Darin hieß es, die Wissenschaftler seien sich noch nicht sicher, ob die globale Erwärmung vom Menschen verursacht werde.2
Auch Shell kam 1988 zu einem ähnlichen Ergebnis: Laut einem vertraulichen Bericht des internen Umweltschutzausschusses konnte das ausgestoßene CO2 die Temperaturen in den nächsten 40 Jahren um 1 bis 2 Grad ansteigen lassen und forderte die Energiewirtschaft zum raschem Handeln auf. Weiter heißt es in dem Bericht: "Wenn die globale Erwärmung spürbar wird, könnte es bereits zu spät sein, um wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen zu verringern oder die Situation sogar zu stabilisieren"3
Zudem hatte sich die Politik Ende der 80er Jahre verändert. Der besonders heiße Sommer 1988 machte den Klimawandel zum Wahlkampfthema. So waren sich auch die konservativen Präsidenten der USA George H. W. Bush und Margreth Thatcher in den vereinigten Königreichen einig, dass etwas gegen die Erderwärmung getan werden sollte.2
Aus Angst vor schärferen Regulierungen und damit vor Gewinneinbußen lobbyierten die fossilen Energiekonzerne, um die öffentliche Meinung und die Politiker zu beeinflussen. (siehe Wirtschaftssystem )2
Die Einflussnahme der großen Mineralölkonzerne auf die öffentliche Meinung und die Politik reicht weit zurück. So versuchte Mobile, die später mit Exxon fusionierte, bereits 1970 mit Artikeln und Anzeigen gegen den "Clean Air Act" zu kämpfen.1
Eine weitere Taktik war die gezielte Förderung von Wissenschaftlern, deren Studien und Ausrichtung sich positiv auf die Ölindustrie auswirkten. Eigene Berichte hätten aufgrund des schlechten Rufs der Ölindustrie eine bedeutend geringere Glaubwürdigkeit gehabt. So standen sich dann Wissenschaftler, die von der Ölindustrie gesponsert wurden, und unabhängige Wissenschaftler gegenüber. Für den normalen Bürger sah es auch aufgrund der ausgewogenen Berichterstattung so aus, als wäre sich die Forschung in Bezug auf die Erderwärmung noch nicht einig. So konnte gezielt Verwirrung gestiftet werden. 6
In dem YouTube-Video Five Characteristics of Science Denial von DENIAL101X sind die Taktiken der Ölindustrie sehr gut erklärt.
Nähere Einblicke gibt auch das 1988 erschiene Memo von Exxon über den Treibhauseffekt in der die Taktiken dargelegt wurden, um gegen das steigende Umweltbewusstsein anzukämpfen:5
Auszug aus dem Exxon-Memo über den Treibhauseffekt
Um noch effektiver Einfluss nehmen zu können, wurde 1989 die Lobbygruppe Global Climate Coalition (GCC) von verschiedenen amerikanischen Industriekonzernen gegründet. Ziel war es, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die globale Erwärmung in Frage zu stellen und Maßnahmen zur Emissionsminderung zu verzögern. Exxon, Shell und BP traten der Gruppe 1993-94 bei3 Dass die Koalition sogar gegen ihre eigenen wissenschaftlichen Experten handelte, zeigt ein geleakter Bericht aus dem Jahr 1995, indem darauf hingewiesen wurde, dass "die wissenschaftliche Grundlage für den Treibhauseffekt und die potenziellen Auswirkungen menschlicher Emissionen von Treibhausgasen wie CO₂ auf das Klima gut belegt sind und nicht geleugnet werden können".7
Quelle:
1) Mobile - The $66 Billion Mistake 2) BBC 4 - How they make us doubt everything Episode 1 3) Guardian - Climate Crisis Timeline 4) Exxon Memo on possible emission 5) Exxon Memo on greenhouse effect 6) BBC 4 - How they make us doubt everything Episode 2/3 7) The Conversation - fossil fuelled climate denial1987 – das Montreal-Protokoll: ein großer Erfolg
Das Montrealer Protokoll ist ein umweltrechtlicher Vertrag, der die Staaten verpflichtet "geeignete Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor schädlichen Auswirkungen zu treffen, die sich aus menschlichen Tätigkeiten ergeben, die die Ozonschicht verändern". Neben dem Wiener Übereinkommen von 1985, auf dem das Montrealer Protokoll aufbaut, ist es der einzige UN-Vertrag, der von allen 197 UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde - mit großem Erfolg: Weltweit ist die Menge der ozonschädigenden Stoffe in der Atmosphäre innerhalb weniger Jahre deutlich zurückgegangen. Da zu diesen Stoffen auch Fluorkohlenwasserstoffe gehören, die zum Teil eine starke Treibhauswirkung haben, war dies zugleich - wenn auch unbeabsichtigt - ein wirksamer Schritt zu mehr Klimaschutz.
deutsche Unterschrift unter dem Montreal-Protokoll
1988 & 1990 - Gründung und erster Report des IPCC
Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde 1988 von UNEP und der Weltorganisation für Meteorologie ins Leben gerufen. Seine Aufgabe besteht darin, "einen umfassenden Überblick über den Stand der wissenschaftlichen Kenntnisse über den Klimawandel, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels sowie über mögliche Reaktionsstrategien und Elemente zu geben, die in ein mögliches künftiges internationales Klimaabkommen aufgenommen werden könnten, und entsprechende Empfehlungen auszusprechen"
In seinem ersten Report schreibt der IPCC:
"Wir sind uns der folgenden Dinge sicher: - Es gibt einen natürlichen Treibhauseffekt, der die Erde bereits wärmer hält, als sie es sonst wäre; -die durch menschliche Aktivitäten verursachten Emissionen erhöhen die atmosphärischen Konzentrationen der Treibhausgase Kohlendioxid, Methan, Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und Distickstoffoxid erheblich. Dieser Anstieg wird den Treibhauseffekt verstärken und im Durchschnitt zu einer zusätzlichen Erwärmung der Erdoberfläche führen. Das wichtigste Treibhausgas, der Wasserdampf, wird als Reaktion auf die globale Erwärmung zunehmen und diese weiter verstärken."
Auch die Einschätzungen des IPCC-Berichts von 1990 sind eingetreten:
"Auf der Grundlage der aktuellen Modellergebnisse sagen wir voraus: Unter dem IPCC Buisness-as-usual (Szenario A): Emissionen von Treibhausgasen werden zu eine Anstiegsrate der globalen Durchschnittstemperatur im nächsten Jahrhundert von etwa 0,3°C pro Jahrzehnt führen" [Stand jetzt: 0,2°C pro Jahrzehnt] "(mit einem Unsicherheitsbereich von 0,2°C bis 0,5 °C pro Jahrzehnt) ; dies ist höher als die als in den letzten 10 000 Jahren. Dies wird zu einem wahrscheinlichen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur von etwa 1°C über dem heutigen Wert bis 2025" [Stand 2020: 1,28 °C] "und 3° C vor dem Ende des nächsten Jahrhunderts."" [Stand jetzt: 2,7 °C] "Der Anstieg wird nicht gleichmäßig sein aufgrund des Einflusses anderer Faktoren;"
Die 90er: Die fossile Industrie im Angriffsmodus
Mit den ersten IPCC-Berichten und den immer lauter werdenden politischen Forderungen nach mehr Klimaschutz, insbesondere im Rahmen des Kyoto-Protokolls, sah sich die fossile Industrie zum Handeln gezwungen. Industrieunternehmen gründeten daraufhin die Global Climate Coalition mit dem Ziel, Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern und durch Desinformationskampagnen die öffentliche sowie die politische Meinung zu beeinflussen. Vor allem ältere und bildungsferne Menschen sollten durch gezielte Werbung in Radio und Zeitschriften angesprochen werden.
Anzeige der Ölindustrie
Zu den betroffenen Wissenschaftlern gehörte auch Benjamin Santer, Hauptautor des Kapitels über die Ursachen des Klimawandels im zweiten IPCC-Bericht. In einem Newsletter wurde ihm eine „wissenschaftliche Säuberung“ vorgeworfen, mit der Begründung, dass alle wissenschaftlichen Unsicherheiten im IPCC-Bericht „bereinigt“ worden seien. Tatsächlich widmen sich jedoch etwa 20 % des Kapitels genau diesen Unsicherheiten. Ein republikanischer US-Politiker erhöhte den Druck zusätzlich, indem er die Finanzierung der wissenschaftlichen Arbeit infrage stellte.
Artikel über IPCC-Kritik von Fred Seitz
In ähnlicher Weise wurde Benjamin Santer in einem Artikel von Fred Seitz im Wall Street Journal beschuldigt, das „Peer-Review“-System, also die Begutachtung durch andere Wissenschaftler, missbraucht zu haben. Die Aussagen von Fred Seitz – selbst kein Klimawissenschaftler – wurden jedoch kaum hinterfragt, da er einst Präsident der National Academy of Sciences war. Dies geschah, obwohl bereits bekannt war, dass er zuvor für die Tabakindustrie gearbeitet hatte, um den Zusammenhang zwischen Rauchen und Krebs herunterzuspielen. Seitz war außerdem Autor einer Studie zur globalen Erwärmung, die ohne Peer-Review-Verfahren veröffentlicht und von seinem eigenen, von Ölkonzernen finanzierten Think Tank, dem George C. Marshall Institute, herausgegeben wurde. Die Studie behauptete, die globale Erwärmung sei auf natürliche Schwankungen der Sonneneinstrahlung zurückzuführen und nicht auf Treibhausgasemissionen.
Auflistung von Taktiken um Zweifel an der Erderwärmung zu schüren
Geldforderung von Fred Singer an die GCC
Neben Fred Seitz war insbesondere auch Fred Singer ein Wissenschaftler, der für seine Aussagen finanzielle Unterstützung von der Öl-Lobby erhalten hatte. Im Jahr 2019 wurde ein Dokument aus dem Jahr 1994 veröffentlicht, in dem der Atmosphärenphysiker Fred Singer explizit finanzielle Forderungen an die Global Climate Coalition stellte. Zu diesen Forderungen zählten unter anderem:
Ein weiteres Beispiel für die gezielte Förderung fragwürdiger Behauptungen ist der Wissenschaftler Willie Soon, der am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics arbeitete. Auch er veröffentlichte Studien, in denen er Veränderungen der Sonnenaktivität als Ursache für die globale Erwärmung anführte. Zu dieser Zeit erhielt das Harvard-Smithsonian Center über eine Million Dollar an Sponsoring von Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen Profit machten. Zu den Geldgebern zählten neben der Southern Company und der ExxonMobil Foundation auch das American Petroleum Institute, ein Zusammenschluss von 600 Gas- und Ölfirmen.
In einem Dokument der Lobbygruppe "Informed Citizens of the Environment" wurden die Strategien vorgestellt, mit denen gegen die Wissenschaft gearbeitet werden sollte. Hauptziel war es, die wissenschaftlichen Fakten über die globale Erwärmung in Frage zu stellen.
Strategien um die Öffentlichkeit zu beeinflussen
1991 - Gründung der Global Environment Facility
Die "Global Environment Facility" (GEF) ist einer der wichtigsten Fonds zum Schutz der globalen Umwelt. "In den letzten drei Jahrzehnten hat die GEF mehr als 22 Milliarden Dollar an Zuschüssen und Mischfinanzierungen bereitgestellt und weitere 120 Milliarden Dollar an Kofinanzierungen für mehr als 5.000 nationale und regionale Projekte sowie 27.000 von Gemeinden getragene Initiativen im Rahmen ihres Programms für kleine Zuschüsse mobilisiert."
1992 - Second Earth Summit in Rio de Janeiro & Gründung des UNFCCC
Rund 175 Staaten nehmen an der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro teil, die nach Stockholm 1972 auch als "Second Earth Summit" bezeichnet wird. Aus dieser Konferenz gehen folgende Maßnahmen hervor
Einer der wichtigsten Punkte war jedoch die Gründung des United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) – einer Organisation mit dem gleichen Namen wie die Rahmenkonvention. Sie hat den Auftrag, die Treibhausgaskonzentrationen auf einem Niveau zu stabilisieren, das eine gefährliche, vom Menschen verursachte Störung des Klimasystems verhindert.4 Aus heutiger Sicht blieb dieser Auftrag unerfüllt. Ein stabiles Klima wäre bei einem Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre von ungefähr 350 ppm gewährleistet, doch im Jahr 2024 betrug die Konzentration bereits 421 ppm.
Die UNFCCC führte auch zur Einrichtung der Konferenz der Vertragsparteien, COP (Conference of the Parties), dem obersten Gremium der UNFCCC. Seit 1995 findet die COP jährlich in einem anderen Land als Weltklimagipfel statt. Ihre Aufgabe ist es, den internationalen Klimaschutz voranzubringen, Folgeabkommen zu beschließen und die Einhaltung der Vereinbarungen zu überwachen.8
Neben einigen Erfolgen, die vor allem im gestiegenen Umwelt- und Klimabewusstsein der Gesellschaft sichtbar wurden, gab es jedoch auch erhebliche Kritikpunkte, die sich auf alle Folgekonferenzen übertragen lassen. Geoffrey Palmer beschreibt die schwerfällige Entscheidungsfindung der verschiedenen Staaten eindrücklich in seinem Artikel „The Earth Summit: What Went Wrong at Rio?“
"Themen werden oft bis zur Erschöpfung diskutiert, und es gibt häufig kaum Fortschritte bei der Entwicklung von Strategien. Die Zeit ist in der Regel sehr knapp bemessen, und solche internationalen Treffen sind äußerst schwierig zu führen. Es wäre schon schwierig, bei einer internationalen diplomatischen Zusammenkunft nur alleine die Zustimmung von 180 Nationen zu erreichen, dass die Erde rund ist, geschweige denn, welche Schritte zu ihrer Erhaltung unternommen werden müssen. Bruce Babbit hat die Verhandlungen in Rio treffend als 'einen chaotischen Prozess beschrieben, der eher einer Straßenschlägerei als einem diplomatischen Treffen glich.'"
Daneben meint er, dass "Nationen in der Regel "Soft-Law"-Dokumente bevorzugen; sie stimmen gerne hochtrabenden Grundsatzbeschlüssen zu, die sie später nicht zu ganz konkreten Handlungen verpflichten."
*Deswegen sind selbst die rechtsverbindlichen Verträge sehr allgemein gehalten wie z.B. der 1. Grundsatz bei der "Rio Declaration On Environment And Development" zeigt:
"Der Mensch steht im Mittelpunkt der Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung. Er hat ein Recht auf ein gesundes und produktives Leben im Einklang mit der Natur."
Ein weiteres messbares Indiz ist das häufige Vorkommen des nichtssagenden Wortes "appropriate" (im deutschen: angemessen). Allein in der 25-seitigen "United Nations Framework Convention on Climate Change" kommt es 23 Mal vor.7
Daraus ergibt sich der Hauptkritikpunkt, dass es keine bindende Verpflichtung der Staaten gibt. Der Grund dafür ist, dass sich die Länder auf ihre Souveränität berufen und keine „von oben“ diktierten Vorgaben akzeptieren möchten. Besonders die USA haben sich erfolgreich gegen die Begrenzung der Kohlendioxidemissionen und den Vertrag zur Biodiversität eingesetzt. Die Bush-Regierung wollte dadurch Schaden vom amerikanischen Wirtschaftswachstum und der industriellen Leistung abwenden.
So einigte man sich auf das vage formulierte Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zur Jahrhundertwende auf das „frühere Niveau“ zu reduzieren. Alle wichtigen Teilnehmer akzeptierten diese Vereinbarungen, sodass am 9. Mai 1992 in Rio ein Vertrag unterzeichnet werden konnte.
Daneben wurde bereits auf der Rio-Konferenz kritisiert, dass die Reden der führenden Politiker der Welt, nicht deren Taten entsprächen.3
Auch die Rede der 12-jährigen Severn Cullis-Suzuki, die 1992 für die Environmental Children's Organization in Rio sprach, ruft heute einen Déjà-vu-Effekt hervor. Ihre Worte erinnern stark an die Rede von Greta Thunberg vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2019.
Quelle:
1) UN - Rio 1992 2) Center for International Earth Science Information Network 3) Geoffrey Palmer - The Earth Summit: What Went Wrong at Rio? 4) Timothy W. Luke - A Rough Road Out of Rio: The Right-Wing Reaction in the United States Against Global Environmentalism 5) UNFCC - What is the UNFCC 6) SGK Planet - FAQ Rio 92 7) UNFCC - United Nation Framework Convention On Climate Change 8) Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht - Dynamisierung des internationalen Klimaschutzregimes durch Institutionalisierung von Charlotte Kreuter-Kirchhof - S.71997 - das Kyoto Protokoll
Auszug aus dem Handbuch zum Kyoto-Protokoll
Das Kyoto-Protokoll wurde auf der dritten COP am 11. Dezember 1997 verabschiedet. Aufgrund eines komplexen Ratifizierungsprozesses trat der Vertrag jedoch erst am 16. Februar 2005 in Kraft. Derzeit gibt es 192 Vertragsparteien des Kyoto-Protokolls.1 Im Kyoto-Protokoll verpflichteten sich die Industriestaaten, ihre Treibhausgasemissionen im ersten Verpflichtungszeitraum von 2008 bis 2012 um mindestens 5 % unter das Niveau des Jahres 1990 zu senken.2
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft verpflichteten sich zu einer Minderung ihrer Emissionen um 8 %. Die Reduktionsziele waren jedoch intern unterschiedlich verteilt: So verpflichtete sich Deutschland zu einer Reduktion von 21 % gegenüber dem Niveau von 1990, während Portugal seine Emissionen im gleichen Zeitraum um 27 % steigern durfte. Deutschland konnte sein Ziel mit einer Reduktion von 22 % sogar übertreffen,3 profitierte dabei jedoch stark von den Effekten der Wiedervereinigung, da ein Großteil der Industrie in den neuen Bundesländern stillgelegt wurde.4
Die Treibhausgasemissionen konnten durch unterschiedliche Weise reduziert werden:7
Ein Hauptproblem beim Kyoto-Protokoll war jedoch, dass sich Länder mit besonders hohen Treibhausgasemissionen nicht beteiligten: Die USA verweigerten die Unterschrift mit der Begründung, dass Industrienationen bei der Reduktion des Treibhausgasausstoßes eine größere Last tragen müssten als Entwicklungsländer.5 Schwellenländer wie China und Indien waren von verbindlichen Klimazielen ganz ausgenommen. Entgegen den Bestrebungen, die Treibhausgasemissionen weltweit zu reduzieren, stiegen diese zwischen 1990, dem Bezugsjahr des Kyoto-Protokolls, und 2008 um 34 Prozent.8
Auf der 18. COP in Doha bzw. der 8. Zusammenkunft im Rahmen des Kyoto-Protokolls wurde 2012 eine weitere Reduktion in einem zweiten Verpflichtungszeitraum beschlossen. Dieser sollte den Zeitraum von 2013 bis 2020 abdecken, um den Übergang zum neuen globalen Übereinkommen von Paris zu erleichtern. Die teilnehmenden Länder einigten sich darauf, ihre Treibhausgasemissionen um mindestens 18 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Da jedoch einige Länder wie Kanada, Japan, Russland, Weißrussland, die Ukraine, Neuseeland und die USA nicht teilnahmen und Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien im Rahmen des Kyoto-Protokolls ohnehin von Emissionsminderungen ausgenommen waren, beschränkte sich die Reduktion auf lediglich 15 % der weltweiten Kohlendioxidemissionen.
Quelle:
1)UNFCC - Kyoto Protocol 2) Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht - Dynamisierung des internationalen Klimaschutzregimes durch Institutionalisierung von Charlotte Kreuter-Kirchhof - S.14 3) Umweltbundesamt - Treibhausgas Emission in Deutschland 4) Volker Quasching - Ziel verfehlt 5) Europaparlament - Timeline Klimaverhandlungen 7) UNFCC - Fact Sheet Kyoto Protocol 8) WeltbankDie 2000er bis heute - Leugnen als Teil der politischen Identität
In den USA haben Unternehmen wie ExxonMobil und insbesondere Koch Industries zu Beginn des Jahrtausends einen unermüdlichen Kampf um Einfluss auf Politik und Öffentlichkeit geführt. Dies spiegelt sich in den erheblichen finanziellen Aufwendungen für Lobbyarbeit wider. Zwischen 2005 und 2008 gab Koch Industries einschließlich seiner Tochtergesellschaften insgesamt 24,9 Millionen US-Dollar für Lobbying aus, während ExxonMobile im gleichen Zeitraum 8,9 Millionen US-Dollar investierte. Mit Erfolg: 2007 glaubten 77 Prozent der Amerikaner laut dem Pew Research Center, dass es starke Beweise dafür gibt, dass die globale Erwärmung real ist. Dieser Wert fiel auf 57 Prozent im Jahre 2009. Hilfreich für fossile Interessengruppen war - neben verschiedenen Deregulierungsmaßnahmen - dass der Oberste Gerichtshof der USA im Jahr 2010, die Gesetze zur Wahlkampffinanzierung aufhob. Nun war es möglich, unbegrenzt politische Kampagnen zu finanzieren. Weiter begünstigte den Erfolg der Unternehmenslobbys, dass es ein enormes Gefälle in den Lobbyausgaben zwischen Unternehmen und anderen Interessengruppen wie Umweltverbänden gab. Laut dem Politologen Lee Drutman betrug im Jahr 2008 das Verhältnis 35 zu 1. Dadurch kam es zu entscheidenden Einflussnahmen auf das Weiße Haus. Im Jahr 2007 stellte ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses fest: "Es gab systematische Bemühungen des Weißen Hauses, die Bedeutung des Klimawandels durch die Bearbeitung von Berichten herunterzuspielen". Beispielsweise forderten Lobbyisten von Exxon Mobile das Weiße Haus direkt auf, den Leiter des amerikanischen IPCC-Berichts durch eine andere Person zu ersetzen. Wie erfolgreiche Einflussnahme aussieht, zeigt der Kampf von Koch Industries gegen Barrack Obama (Präsident der USA 2008-2016). Charles Koch, CEO von Koch Industries, sah sein Geschäftsmodell und seine libertäre Grundhaltung durch Obamas Forderungen nach mehr Regulierung, Besteuerung von Kohlendioxidemissionen und mehr Subventionen für erneuerbare Energien gefährdet. Die Demokratische Partei hatte einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Einführung eines Emissionshandelssystems ("Cap-and-Trade") nach dem Vorbild der EU vorsah. Unternehmen, die durch die Einführung des Gesetzes Gewinneinbußen befürchteten, versuchten mit allen Mitteln, die Umsetzung zu verhindern. Koch Industries hatte sich über die Jahre ein sehr gutes Netzwerk aufgebaut und erhöhte seine Ausgaben für Lobbyverbände und politische Kampagnen, insbesondere für die Organisation Americans For Prosperity (2007: 5,7 Millionen USD, 2010: 17,5 Millionen USD). Ziel war es, Druck auf Republikaner auszuüben, die Klimaschutzmaßnahmen befürworten. Die Wahlkampfunterstützung dieser Republikaner wurde von Koch Industries eingestellt. Außerdem finanzierte und infiltrierte das Unternehmen Vereine, wie die rechtsgerichtete Tea-Party Bewegung. Für die Anhänger der Tea-Party Bewegung, die anfangs zwar durchaus für Sozialprogramme, aber gegen Ausländer (Obama, als schwarzer Präsident) und das "Establishment" waren, gab es nun ein neues Thema: Die menschengemachte Erderwärmung anzuzweifeln. Durch die gezielte Ausbildung über Americans for Prosperty wurden moderate Republikaner mit Telefonanrufen und Emails durch die Tea-Party Bewegung unter Druck gesetzt. Ein weiteres Mittel war die Organisation von Bussen, mit denen Klimaleugner zu Veranstaltungen moderater Republikaner gefahren wurden, um dort für ihre Sache zu werben - was die Besucherzahlen enorm steigerte. Darüber hinaus wurden erfolgreich eigene politische Kandidaten aufgebaut, die gegen - aus ihrer Sicht - zu moderate Republikaner antraten. Um das Emissionshandelsgesetz zu verhindern, setzte Koch Industries zudem auf die Taktik der "Echokammer": Über das gesamte Netzwerk, insbesondere über die gesponserten Think Tanks und deren Wissenschaftler, wurden Studien in die Öffentlichkeit getragen, die die menschengemachte Erderwärmung in Frage stellten. Dadurch konnten die Republikaner bei den Zwischenwahlen 2010 starke Zugewinne erzielen. Von 85 neu gewählten Republikanern hatten sich 76 dem "Carbon Pledge" von Americans For Prosperity angeschlossen. Sie schworen, dass sie niemals einem Gesetz zustimmen würden, welches Steuern aufgrund des Kilmaschutzes erheben würde. Laut dem Investigation Reporting Workshop der American University hatten 56 der 76 Republikaner Wahlkampfunterstützung von Koch Industries erhalten. Das Gesetz zum Emissionshandel wurde nie verabschiedet.
Die Finanzierung rechter Republikaner und der gleichzeitige Druck auf moderate Republikaner haben die Ausrichtung der Republikanischen Partei grundlegend verändert. Der fossilen Industrie ist es in den letzten 30 Jahren gelungen, wissenschaftsfeindliche Aussagen zum Klimawandel als Kern der rechten Identität der Republikanischen Partei zu verankern. Darüber hinaus finanziert sie zahlreiche Politiker der Demokratischen Partei, um auch dort ihren Einfluss geltend zu machen.
>Christopher Leonard - Kochland (Buch)
Ezra Klein - der tiefe Graben (Buch)
BBC 4 - How they make us doubt everything Ep.102009 - (k)ein Abkommen in Kopenhagen
Die große Hoffnung für die 15. Vertragsstaatenkonferenz in Kopenhagen war es, ein verbindliches Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Protokoll zu erreichen. Es sollte ein konkretes Reduktionsziel für Treibhausgase bis 2050 enthalten. Mit 115 Staatsoberhäuptern und rund 40.000 Teilnehmern war es eine der größten Konferenzen außerhalb des UN-Hauptquartiers in New York und leider auch die mit dem schwächsten Ergebnis. So wurde das Abkommen weder angenommen noch abgelehnt, sondern lediglich "zur Kenntnis genommen", bevor es fast vollständig scheiterte. Ein entscheidender Grund dafür war, dass sich die Entwicklungsländer übergangen fühlten, da die Industrieländer im Hinterzimmer verhandelten und die Entwicklungsländer vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Hinzu kam, dass die Zeit für die Überprüfung der Ergebnisse für die Entwicklungsländer sehr kurz war. Obwohl die Entwicklungsländer von den Reduktionszielen ausgenommen wurden, blockierten insbesondere China und Indien ein festes Reduktionsziel mit der etwas absurden Begründung, dass sie in Zukunft den Status eines Industrielandes erreichen würden und dann die Reduktionsziele wieder gelten würden. Darüber hinaus wurde die gesamte Konferenz von zahlreichen undichten Stellen überschattet, die Informationen an die Presse durchsickern ließen.1
Die wichtigsten Beschlüsse des nur zweieinhalb seitigem, sehr vage formulierten und nicht bindenden Kompromisses waren:
Die 2010er bis heute - Europa und die Gaslobby
Selbst die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hatte kaum Auswirkungen auf die Ausrichtung der Energieversorgung bzw. -beschaffung der Europäischen Union. Statt die Abhängigkeit von Russland oder Staaten des Nahen Ostens durch den Ausbau erneuerbarer Energien zu reduzieren, wurde genau das Gegenteil erreicht: Von 2013 bis 2021 erhöhte sich der Gasverbrauch aus Russland um das Doppelte von 20% auf 40%.
Die Erklärung für dieses moralische und strategische Fehlverhalten liegt neben den niedrigen Gaspreisen und dem Einfluss Russlands zu einem großen Teil in der Macht der Gaslobby in der EU. Durch ihre Mitgliedschaft in der durch EU-Recht geschaffenen Gruppe ENTSO-G, dem Verband der europäischen Fernleitungsnetzbetreiber, konnten die Gasunternehmen in die EU-Politik eingreifen. Durch die systematische Überschätzung des Gasbedarfs durch den Verband profitierten die Unternehmen von den entsprechenden Infrastrukturprojekten: 90% der Gelder für die Projekte gingen an ENTSO-G-Mitglieder. Ein weiterer Punkt ist die enorme Lobbyarbeit der fossilen Industrie in der EU. Zwischen 2015 und 2021 haben die Unternehmen Shell, BP, Total, Equinor, ENI und Galp sowie fünf ihrer Lobbygruppen über 170 Millionen für Lobbyarbeit ausgegeben und 568 Treffen mit hochrangigen Beamten der Europäischen Kommission abgehalten. Darüber hinaus gab es 71 Fälle, in denen Mitglieder der Industrie und der Politik die Seiten gewechselt haben. Einen großen Erfolg konnte die Gaslobby feiern, als die EU-Institutionen Gas in ihren Empfehlungen für Finanzinvestitionen als „nachhaltig“ deklarierten. Die ohnehin hohen Gas- und Ölpreise sind durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stark gestiegen. Davon konnte die fossile Industrie weiter profitieren. Ab Februar 2022 gab es durchschnittlich jeden zweiten Tag ein Treffen zwischen der fossilen Brennstoffindustrie und hochrangigen Vertretern der Europäischen Kommission. Die Gewinne von Shell, TotalEnergies, Eni und Repsol beliefen sich bis September 2022 auf 78 Milliarden Euro. Laut dem Climate Action Tracker könnten die derzeit im Bau befindlichen LNG-Kapazitäten und ihre Erweiterungspläne die Emissionen im Jahr 2030 um mehr als 1,9 Gt CO2e pro Jahr über das Emissionsniveau hinaus erhöhen, das dem Netto-Null-Szenario der Internationalen Energieagentur IEA entspricht. Insbesondere in Deutschland sind zahlreiche energieintensive Unternehmen aus den Bereichen Stahl, Chemie und Zement ansässig, die einen entsprechend hohen Gasverbrauch aufweisen. Im Jahr 2021 investierten diese Unternehmen mehr als 40 Millionen Euro in ihre Lobbyarbeit und beschäftigten rund 410 Lobbyisten. Die NGO Lobbycontrol schreibt in ihrem Bericht "Die Macht der Gaslobby in Deutschland":
Die Gasindustrie hat durch irreführendes Framing Gas als „sauberen Energieträger“ und „Brückentechnologie“ inszeniert. Dazu beigetragen haben teure Kampagnen eigens engagierter Lobbyagenturen. Wichtige politische Entscheidungsträger:innen wie der frühere Wirtschaftsminister Peter Altmaier haben dieses Framing übernommen und ihre Energiepolitik daran ausgerichtet: Milliardeninvestitionen in Gasinfrastruktur wurden in den letzten Jahren in Deutschland getätigt. Wenig Gewicht wurde auf die Frage gelegt, wie der Ausstieg aus dem Gas schnellstmöglich machbar ist. Kaum eine Rolle in der politischen Debatte spielt auch die klimaschädliche Wirkung von Methan, das beim Fördern und Transport von Gas frei wird. Mit dem Framing „grünes Gas“ stellt die Gasindustrie Gas auch als Energie der Zukunft und Teil der Lösung für den Klimaschutz dar. Dabei werden auch Gase unter diesem Begriff zusammengefasst, die auf Basis von Erdgas hergestellt werden. Ihre Klimaneutralität soll durch Technologien geschaffen werden, die umstritten oder noch gar nicht marktreif sind. Diese irreführenden Erzählungen der Gaslobby sind auch weiterhin im politischen und öffentlichen Raum wirkmächtig.
Laut dem aktuellsten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) von 2021 ist das Treibhauspotenzial von Methan im 100-Jahres Vergleich 28-mal stärker als das von CO2.
Darüber hinaus gibt es eine starke Einflussnahme auf die Wasserstoffpolitik. Insbesondere in den Anwendungsbereichen Wärmegewinnung und Verkehr versuchen Lobbyorganisationen, unterstützt von Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft, das Thema Wasserstoff voranzutreiben, obwohl es dafür weder eine wissenschaftliche noch eine wirtschaftliche Grundlage gibt. In diesen beiden Bereichen wäre Wasserstoff im Gegensatz zu elektrischen Alternativen ineffizient und teuer, da Wasserstoff erst mit erheblichen Umwandlungsverlusten aus Ökostrom hergestellt werden müsste. Fossile Industrieunternehmen lobbyieren dennoch dafür, weil sie den Übergang zu elektrischen Alternativen verzögern und so ihre bestehenden Geschäfte und Profite weiterführen können. Dabei hilft ihnen die Verwirrung, die durch die Förderung von Wasserstoff im Wärme- und Automobilbereich in der Öffentlichkeit und Politik gestiftet wird. Im Verkehr würden dann weiterhin überwiegend Verbrennungsmotoren genutzt werden. Zum Vergleich: Der Anteil von Mineralölprodukten am Verkehr in Deutschland liegt immer noch bei 92 Prozent. Der Grund für die Lobbyarbeit im Wärmesektor ist, dass die Gasleitungen, die z.B. den Stadtwerken gehören, bei einem steigenden Anteil von Elektroheizungen zunehmend nutzlos würden. Wasserstoff hingegen könnte nur bis zu 5% in die bestehenden Gasleitungen eingespeist werden. Setzt sich die Gaslobby mit ihren Forderungen nach ineffizienter Wasserstoffnutzung im Wärme- und Automobilbereich durch, zahlt der Verbraucher die enormen Kosten.
2015 - die Paris Vereinbarung
Neben dem Montreal-Protokoll (1987), der Gründung der UNFCCC (1992) und dem Kyoto-Protokoll (1997) kann die 21. COP in Paris als ein weiterer Erfolg für die Klimaschutzbemühungen gesehen werden. Im Gegensatz zu der gescheiterten COP in Kopenhagen, waren die Voraussetzungen in Paris deutlich vielversprechender. Die Preise für erneuerbaren Energien waren stark gesunken und teilweise schon billiger als fossile Energiequellen. Zudem waren Länder, die zuvor blockiert hatten, aus verschiedenen Gründen zu Eingeständnissen bereit. Beispielsweise hatten die Menschen in chinesischen Städten mit enormer Luftverschmutzung zu kämpfen, was zu Protesten der wachsenden Mittelschicht führte. China hatte daher bereits eine Vorreiterrolle im Bereich der erneuerbaren Energien eingenommen. Ein weiterer Grund, der die Ergebnisfindung erleichterte, war dass die teilnehmenden Länder nicht zur Ratifizierung des Protokolls gezwungen wurden. Die Umsetzung der Ergebnisse erfolgte von nun an auf freiwilliger Basis. Man setze auf nationale Klimaschutzpläne (Nationally Determined Contributions - NDC) der einzelnen Länder, die unabhängig von ihrem jeweiligen Umsetzungszeitrahmen in aktualisierter Form alle fünf Jahre vorzulegen sind (z. B. 2020, 2025, 2030). Die Vertragsstaaten müssen ab 2024 transparent über ihre NDCs berichten, die dann von einer unabhängigen Organisation überprüft werden.1,2,4
Als Ergebnis verabschieden 195 Staaten das weltweit erste universelle und rechtsverbindliche Klimaabkommen. Ziel ist es, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die vorgelegten NDCs reichen jedoch nicht aus, um die vereinbarten Temperaturziele zu erreichen. So sehen 43% aller NDCs keine weiteren Klimaschutzmaßnahmen vor.
Im Gegensatz zu den Verpflichtungen, die in Paris 2015 mit den Intended Nationally Determined Contributions (INDCs), also den beabsichtigten Klimaschutzplänen gegeben wurde, sind die aktualisierten NDCs 2020 ambitionierter. Mit den neuen Verpflichtungen würde relativ zu 1990 die Treibhausgasemissionen bis 2030 nur noch um 60% anstatt 70% steigen. Der Climate Action Tracker geht bei diesen NDCs von einer Erhöhung der Temperatur bis 2100 um 2,4°C aus.2,3,6
Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber 1990 zu senken und die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.5