Update: 12/2023
Deutschland
Ziel und Prognose der Emissionsreduzierung
Die Bundesregierung strebt an, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Bis 2040 sollen die Emissionen um 88% gesenkt und bis 2045 Treibhausgasneutralität erreicht werden. Dazu ist eine durchschnittliche Reduktion von ca. 2,7% oder 29Mt CO2 pro Jahr nötig. In den Vor-Corona-Jahren 2015-2019 lag die Reduktion jedoch nur bei 1,6%. Laut Prognosen des Umweltbundesamtes wird bei gleichbleibender Reduktion bis 2040 nur eine Minderung von 67% erreicht werden. Deutschland hätte dann nur noch ein Restbudget von ca. 500 Mt für die nationale 2°-Grenze zur Verfügung, das voraussichtlich 2042 aufgebraucht sein wird. Somit kann das Abkommen von Paris nicht eingehalten werden.
Die Berechnungen zu den CO2-Budgets können hier heruntergeladen werden. Historische Emissionen, wie z.B. beim 1,5°C Tracker von Climate Analytics, sind in diesen Berechnungen nicht enthalten.
Ausbauziele erneuerbarer Energien
Quelle:
Open Energy TrackerDie Ausbauziele von Solar- und Windkraft, die 2022 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgestellt wurden, sind für eine ausreichende Reduktion zu gering und dennoch sehr ambitioniert. Während der Solarausbau sehr gut im Plan liegt, werden die Ausbauziele für die Windenergie bereits im ersten Jahr verfehlt. Auch in Zukunft sieht es mit dem Windkraftausbau nicht besser aus: Die Ausbauziele werden laut dem "Monitorbericht zum Ausbau erneuerbarer Energien" des BMWK bis 2030 nicht erreicht. Die ausgewiesenen Flächen und aktuellen Genehmigungszahlen für Windenergie sind aktuell zu gering. Bis 2027 müssten die Flächenausweisungen verdoppelt und die Genehmigungsverfahren um durchschnittlich mehr als 2 Jahre verkürzt werden.
Ausbau Solar
2022
7,2GW von 7GW
2023
14,1GW von 9GW
Ausbau Wind
2022
2,5GW von 3,5GW
2023
3,2GW von 5,5GW
installierte Leistung 2022
Während die Windenergie bezogen auf die installierte Leistung etwa den gleichen Anteil an der Stromerzeugung hat, ist der Anteil der Solarenergie geringer. Dies liegt vor allem an dem geringen Kapazitätsfaktor, der angibt, wie oft ein Energieerzeuger in einem Jahr unter Volllast Strom erzeugen kann (siehe auch Kapazitätsfaktor im Bereich Elektrifizierung).
Bruttostromerzeugung 2022
2022 wurden in Deutschland 552 TWh an Strom verbraucht. Die Prognose für das Jahr 2030 liegt bei ca. 750 TWh, von denen 600 TWh (80%) aus erneuerbaren Energien stammen sollen.
Sektorenziele
Im Rahmen des Ariadne-Projekts "Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045" könnte bis 2030 theoretisch eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden. Allerdings werden die Ziele in den Sektoren Verkehr und Gebäude voraussichtlich verfehlt (siehe Grafik). Diese könnten jedoch durch verstärkte Emissionsreduktionen im Energiesektor kompensiert werden.
Erreichbarkeit der Emissionsreduzierungen in den einzelnen Sektoren
Anteil erneuerbaren Energien am Energieverbrauch
Endenergieverbrauch
Ziel der Bundesregierung ist es, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch von 20,8% (2022) auf 30% im Jahr 2030 zu steigern. Der Gesamtenergieverbrauch in Deutschland lag im Jahr 2021 bei 2.407 TWh.
In der Animation ist der Anteil der erneuerbaren Energien in den einzelnen Sektoren aufgelistet.
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: EU-Durschnitt
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: Ziel für 2030
Strom
Wärme
Verkehr
Der Unterschied zwischen der Primärenergie und der Endenergie
Ein Primärenergieträger ist ein natürlich vorkommender Rohstoff wie z.B. Erdöl, der in seiner ursprünglichen Form nicht direkt nutzbar ist. Damit das Erdöl zum Beispiel zur Wärmegewinnung verwendet werden kann, muss es gefördert, verarbeitet und transportiert werden. Die benötige Energie hierfür wird in der Primärenergie erfasst. Das nutzbare Heizöl am Zielort ist dann z.B. die Endenergie, die nur den Energieverbrauch der Anwendung (Heizen) selbst berücksichtigt. Diese hat dann eine geringere Energiemenge als die Primärenergie (Erdöl), weil die Umwandlungsverluste der Primärenergie zugeschrieben werden. Auch die Energie im Wind plus die Energiemenge, die für die Umwandlung in Strom in einer Windkraftanlage und für den Transport benötigt wird, ist der Primärenergie zuzuschreiben. Der Strom, der dann zum Verbrauch in einem Haushalt zur Verfügung steht, ist wiederum die Endenergie.
Wichtige Kennzahlen
Bewertung der Ausbaugeschwindigkeit
Wärmepumpen
Ein wichtiger Schritt zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Wärmebereich sind Wärmepumpen. Im Jahr 2023 werden rund 1,7 Millionen Wärmepumpen installiert sein, bis 2030 soll die Zahl auf 6 Millionen steigen. Ab 2024 sollen jährlich 500.000 neue Wärmepumpen installiert werden - zum Vergleich: 2022 wurden 236.000 Wärmepumpen installiert.
öffentliche Ladepunkte und Elektroauto-Anteil
Bestand Elektroautos
Die Elektrifizierung des Verkehrs ist besonders wichtig. Bis Juni 2023 betrug der Anteil vollelektrischer Pkw an den Neuzulassungen 13,6%. Bis 2030 sollen mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkws (Anteil über 40%) auf deutschen Straßen unterwegs sein.
Bestand Ladesäulen
Für das Aufladen dieser Fahrzeuge standen im August 2023 gut 101.000 öffentliche Ladepunkte zur Verfügung. Bis 2030 soll diese Zahl auf 1 Million Ladepunkte steigen. Ab 2025 ist ein jährlicher Zubau von rund 100.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten geplant.
Elektrolyseure
Ein Elektrolyseur ist eine Vorrichtung um aus Strom Wasserstoff zu gewinnen (siehe auch indirekte Elektrifizierung). Die aktuell verfügbare Leistung ist mit 80 Megawatt noch sehr gering.
Quelle:
Open Energy Trackererneuerbare Energien im Bundesländer-Vergleich
Meistens wird nur die Gesamtleistung der einzelnen Bundesländer bei den erneuerbaren Energien angegeben. Für einen Vergleich der Bundesländer ist jedoch der Anteil der erneuerbaren Energien pro Einwohner ein wesentlich besserer Indikator.
Deutschland im Vergleich
Climate Action Tracker
Das Rating des Climate Action Trackers besteht aus vier Kernpunkten:
Das Gesamtrating umfasst fünf Stufen und reicht von "in Vereinbarung mit Pariser Abkommen" bis "äußerst unzureichend". Deutschland nimmt in dem Ranking Stufe 3 mit "unzureichend" ein.
Quelle:
Climate Action Tracker - GermanyClimate Change Performance Index
Der Index errechnet sich zu 40% aus den Treibhausgas-Emissionen, zu 20% am Anteil der erneuerbaren Energien, zu 20% aus der Energienutzung und zu 20% aus der Klimapolitik des jeweiligen Landes. Im Jahr 2024 lag Deutschland weltweit auf Platz 14 und europaweit auf Platz 6.
von 60 Ländern
Europa
Ziel der Emissionsreduzierung
Ziel der Europäischen Union ist es, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren und bis 2050 klimaneutral zu werden. Dazu will die EU-Kommission den Anteil der erneuerbaren Energien in der EU zwischen 2020 und 2030 von 22% auf 45% erhöhen. Ein weiteres Ziel ist die Energieeinsparung bzw. die -effizienz bis 2030 um 13% zu steigern. Damit würde die Europäische Union nach gleichen Ansätzen zur Berechnungen des deutschen Umweltrates - anders als Deutschland - unter 1,5°C bleiben.
Große Probleme bereitet auch hier der Verkehrssektor: Über 90 Prozent der im Straßenverkehr verbrauchten Energie wird durch fossile Energieträger gedeckt. Alternativen wie der Elektroantrieb spielen nur eine geringe Rolle. So betrug der Anteil der Elektrizität am Energieverbrauch des Straßenverkehrs in der EU im Jahr 2021 nur 0,23 %. Als Gegenmaßnahme sollen ab 2035 in der EU nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden. Außerdem soll der Güterverkehr stark von der Straße auf die Schiene verlagert werden.
Die Berechnungen zu den CO2-Budgets können hier heruntergeladen werden. Die historischen Emissionen, wie z.B beim 1,5°C Tracker von Climate Analytics, werden in diesen Berechnungen nicht berücksichtigt
Anteil erneuerbaren Energien am Energieverbrauch
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: Ziel für 2030
Strom
Wärme
Verkehr
Ausbauziele erneuerbarer Energien
*keine konkreten Daten vorhanden (Ziel GesamtWind 2030 lt. REPowerEU: 510 GW)
2022 hat die EU 16 Gigawatt an neuen Windparks installiert. Um die Ziele zu erreichen müsste sich der Ausbau auf 30 GW pro Jahr verdoppeln
2023 hat die EU 56 Gigawatt an neuen Solarmodulen installiert. Um die Ziele zu erreichen müsste sich der Ausbau auf ca. 65 GW pro Jahr erhöhen
Wichtige Kennzahlen
Wärmepumpen
2,2 Millionen Wärmepumpen wurden im Jahr 2021 in 21 Ländern (die von der European Heat Pump Association abgedeckt werden) der EU verkauft. Um das Ziel von 41,5 Millionen Wärmepumpen bis 2030 zu erreichen müssten jährlich etwa 3,5 Millionen neue Wärmepumpen installiert werden.
Elektrolyseure
Installierte Leistung 2021
Quelle:
EurostatWelt
Ziel der Emissionsreduzierung
Im Vertrag von Paris wurde das unverbindliche Ziel vereinbart, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C zu begrenzen. Dieses Ziel wird nach den neuesten Prognosen nicht erreicht werden. Das 1,5°C Budget wird je nach Berechnung zwischen 2027 und 2030 aufgebraucht sein. Die SSP (Shared Socioeconomic Pathways) wurden vom IPCC entwickelt um Szenarien für Treibhausgasemissionen bei unterschiedlichen klimapolitischen Maßnahmen zu visualisieren.
In der folgenden Grafik sind die historischen Gesamtemissionen der einzelnen Länder zu sehen. Die USA liegen mit knapp einem Viertel der Gesamtemissionen weit vor China, das bisher nur etwa die Hälfte der USA emittiert hat. Nach Russland folgt bereits Deutschland auf Platz 4. Zu beachten ist auch, dass bei der Berechnung eines CO2-Budgets manchmal die historischen Gesamtemissionen berücksichtigt werden, manchmal aber auch nicht. Im Fall Deutschlands wurde dies beim Bericht des Umweltrates nicht mit eingerechnet.
Historische Gesamtemissionen in Milliarden Tonnen [Gt] CO2 zwischen 1750 und 2020
Bewertungen zur Erreichung des 1,5°C Ziels
Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (International Renewable Energy Agency; kurz: IRENA) hat in ihrem Bericht World Energy Transitions Outlook: 1.5°C Pathway, eine Grafik zusammengestellt, in der die verschiedenen Sektoren in Bezug auf das 1,5°C-Ziel bewertet werden.
IRENA (2022), Projektion der weltweiten Energiewende 2022: Fahrplan zum 1,5°C-Ziel, International Renewable Energy Agency, Abu Dhabi.
Schlussfolgerung - Wo stehen wir?
Der IPCC schreibt in seinem letzten Sachstandsbericht:
Trotz Fortschritten bestehen Anpassungslücken zwischen dem derzeitigen Anpassungsniveau und dem Niveau, das erforderlich ist, um auf die Auswirkungen zu reagieren und die Klimarisiken zu verringern. Die meisten beobachteten Anpassungen sind fragmentiert, von geringem Umfang, sektorspezifisch, nur auf aktuelle Auswirkungen oder kurzfristige Risiken ausgerichtet und fokusieren sich eher auf die Planung als auf die Umsetzung.
Quelle
Climate Action TrackerBewertung der staatliche Ziele und Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen (Stand Juli 2023)
Quelle
Climate Action TrackerClimate Action Tracker (CAT)
Der Climate Action Tracker ist eine unabhängige wissenschaftliche Forschungsgruppe, die die Klimamaßnahmen der Regierungen analysiert und das 1,5°C-Ziel in Verbindung mit den zur Zeit verabschiedeten Maßnahmen setzt.
Um das 1,5°C-Ziel zu erreichen, müssten die Emissionen im Jahr 2030 bei etwa 22,2 Gt CO2 liegen, während sie nach den politischen Ankündigungen auf der COP26 in Glasgow im Jahr 2022 auf 37,5 Gt im Jahr 2030 geschätzt werden.
Wenn alle Prognosen und Berichte berücksichtigt werden, zeigt sich, dass mit den bisherigen Maßnahmen eine Begrenzung unter 1,5°C nicht möglich ist und selbst die 2°C-Grenze deutlich überschritten wird. Auch das Gesamtbild hat sich nicht wesentlich verändert: Die Klimakonferenzen sind nach wie vor von nationalen Eigeninteressen und starkem Lobbyismus, z.B. der Ölindustrie, geprägt. Ebenso sind die Abkommen nicht bindend. So sehen nach derzeitigem Stand die Prognose pessimistisch aus, weil sich kein grundlegender Wandel erkennen lässt.
Es gibt jedoch auch Gründe für Optimismus: Zum einen gewinnen die noch relativ jungen Klimaorganisationen wie Fridays for Future (Gründung 2018) mehr Einfluss und zum anderen kann der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch durch Investitionen und Innovationsschübe viel schneller ansteigen als bisher angenommen. Dadurch könnten fossile Brennstoffe sowie deren Lobby zurückgedrängt werden. Auch Klimaklagen werden in funktionierenden Demokratien zunehmend von Gerichten zugelassen und sind ein wirksames Mittel, um Klimaschutzmaßnahmen zu fördern. Letztlich führt der starke Einfluss der Wirtschaft auf Politik und Öffentlichkeit unvermeidlich dazu, dass der Druck für mehr Klimaschutz aus der Zivilgesellschaft kommen muss.