Wirtschaft

Der Klimawandel ist das Ergebnis des größten Marktversagens, das die Welt je gesehen hat. [...] Diejenigen, die andere durch die Emission von Treibhausgasen schädigen, zahlen im Allgemeinen nicht.

Nicholas Stern, Ökonom

Ein unregulierter Markt

Ein großer Faktor der zur Klimakrise beigetragen hat ist unsere wachstumsorientierte Wirtschaftsstruktur, die auf dem freien Markt und somit dem Kapitalismus beruht. Diese Wirtschaftsform hat einige sehr große Vorteile für die Gesellschaft wie Innovationsförderung, individuellen Freiheiten, Privateigentum und dem Zugang zu einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen.

Ein Nachteil der Wirtschaftsform ergibt sich jedoch dann, wenn Organisationen gegen das Wohl der Gesellschaft agieren, um ihre Gewinne sowie Macht zu maximieren oder zu erhalten.

wilder Westen

Beispiele für solche meist illegalen Geschäfte sind der Cum-Ex oder der Dieselgate-Skandal. Es gibt außerdem ganze Industriezweige wie die Tabak- und die Ölindustrie, die ihre Interessen durchsetzen können, obwohl sie der Gesundheit vieler Menschen schaden.

Die Ausweitung des Einflusses der Konzerne auf Politik, Öffentlichkeit und Recht wurde durch Deregulierungsmaßnahmen in den 70er Jahren, wie z.B. die Senkung der Reichensteuer oder die Lockerung des Monopolrechts, wesentlich begünstigt. Das individuelle Gewinnstreben und die unternehmerische Freiheit rückten in den Vordergrund der Wirtschaftspolitik, wodurch eine Konzentration des Reichtums unvermeidlich wurde. Diese Wirtschaftspolitik konnte sich im globalen Westen ausbreiten und hat sich bis heute gehalten.

Taktiken der Ölindustrie

In Bezug auf die Klimakrise hat die gezielte Einflussnahme der Ölindustrie auf Politik sowie die Öffentlichkeit erstaunliche Ähnlichkeit mit der Tabakindustrie.

Die Agenda der Ölindustrie sieht vor:


  • Verleugnen der Tatsachen

  • Unsicherheiten/Verwirrung streuen

  • Maßnahmen verzögern

  • Finanzierung von Wissenschaftlern, deren Studien Zweifel an der menschengemachten Erderwärmung aufwerfen

  • Sponsoring von konservativen Think Tanks, die wissenschaftsfeindliche Aussagen verbreiten

  • Einflussnahme auf Lehre und Forschung z.B. an Universitäten durch Sponsoring im Bereich Klima und Energie

  • Sponsoring von Medienexperten, die in Talk-Shows auftreten und viel bessere Einflussnahme auf das Publikum haben als Wissenschaftler

  • Durch PR-Firmen das Bild in der Öffentlichkeit verbessern

Vielen Mineralölkonzernen waren die negativen Auswirkungen ihrer Geschäfte bereits in den 1970er Jahren bewusst und haben zahlreiche klimaskeptische Vereine und politische Strömungen unterstützt. Dazu gehörte auch die Verunglimpfung von Wissenschaftlern des IPCC durch einen von ExxonMobil gesponserten Think Tank.1

Öl

Zudem nimmt das sogenannte „Greenwashing“ von Öl-Unternehmen zu. Um ihr Image zu verbessern, geben sich die Unternehmen über Werbung und Aktionen nach außen umwelt- und klimabewusst . Bei den fünf größten US-amerikanischen und europäischen Öl- und Gasunternehmen (ExxonMobil, Chevron, Shell, TotalEnergies und BP) sind die Investitionen in erneuerbare Energien jedoch entgegen dieser Außendarstellung verschwindend gering und lagen 2019 noch unter 5%. Außerdem haben alle fünf Unternehmen erklärt, dass sie in den kommenden Jahren weiterhin umfangreiche Explorations- und Erschließungsprojekte für fossile Brennstoffe durchführen wollen.

Quelle

1) Spiegel
1) Germanwatch

ARTE-Doku: Klimawandel – Die Macht der Lobbyisten

Klimaschmutzlobby (Buch) von Susanne Götze und Annika Joeres

Ausgaben Ölindustrie

Die Ausgaben für Lobbying und Branding machen ca. 25% der Ausgaben der größten Ölkonzerne aus. Sie dienen zur Einflussnahme auf die Politik und zur Vermarktung ihrer Kraftstoffe und chemischen Produkte. Investitionen in klimafreundliche Technologien wie erneuerbare Energien machen nur etwa 3% der Gesamtinvestitionen aus.

Finanzinstitute

Auch Finanzinstitute sind am Geschäft mit fossilen Energieträgern beteiligt. Gut ersichtlich ist dies in dem Bericht Finance and Climate Change des Think Tanks Influance Map, in dem die Klimabilanz der 30 weltweit größten börsennotierten Finanzinstitute untersucht wurde.

Eine wirkliche Abkehr bei der Finanzierung von fossilen Energieträgern ist nicht zu erkennen. In den Jahren 2020 und 2021 haben diese Finanzinstitute zusammen mindestens 740 Milliarden US-Dollar in die Wertschöpfungskette der fossilen Brennstoffe investiert. Das sind 7% ihrer gesamten Investitionen. Davon entfielen allein auf J.P. Morgan 81 Milliarden US-Dollar (11%). 145 Milliarden US-Dollar wurden in die fünf größten US-amerikanischen und europäischen Öl- und Gasunternehmen investiert.

Klimaversprechungen der 30 größten Finanzinstitute

93%

haben sich verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu produzieren

37%

haben kurzfristige Ziele zur Reduzierung

0%

haben eine Politik zur Finanzierung fossiler Brennstoffe, die zur Klimaneutralität führt

100%

sind Mitglieder von Industriegruppen, die gegen die Klimapolitik lobbyieren

Die Zusammenfassung des Berichts ist sehr ernüchternd:

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass trotz einer Zunahme langfristiger Klimaziele und freiwilliger klimabezogener Berichterstattung durch die 30 größten Finanzinstitute der Welt, diese Unternehmen weiterhin einen erheblichen Mangel an sinnvollen kurzfristigen Maßnahmen angesichts der Klimakrise aufweisen.

Unternehmen und Vereine

Amerika

Einige Unternehmen betreiben eine starke Lobbyarbeit gegen Klimaschutzmaßnahmen. Möglich wird dies vor allem durch eine von Politik und Gesellschaft getragene Wirtschaftsstruktur, in der Umwelt- und Klimapolitik wenig Gewicht haben.

Zwei Beispiele:

Charles und David (2019†) Koch fördern gezielt klimaskeptische Vereine und Strömungen in der Politik. Mit Koch Industries sind sie die Gründer eines der größten Privatunternehmen der USA, dessen produzierten Produkte fast ausschließlich auf fossilen Stoffen beruhen - ob es nun Erdöl, Erdgas, Petrochemie, Energie und Dünger sind.

Christopher Leonard - Kochland (Buch)

Einen großen Einfluss hat auch der konservative Medienunternehmer Rupert Murdoch, der das Ausmaß der Klimakrise herunterspielt. Seine Zeitungen und Fernsehsender haben besonders in Australien, Großbritannien und den USA sehr großen Einfluss auf die Gesellschaft und Politik.

ARTE: Der Aufstieg der Murdoch-Dynastie (Doku)

Daneben zielen einige internationale Verbände darauf ab Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern. Als Beispiele sind folgende Organisationen zu nennen:

  • Heartland, Think Tank

  • Heritage Foundation, Think Tank

  • Americans for Prosperity, Lobbygruppe

  • Committee for a Constructive Tomorrow, Lobbygruppe

  • Science and Environmental Policy Project, Think Tank

  • Global climate coalition, Lobbygruppe

Susanne Götze und Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby (Buch)

Christopher Leonard - Kochland (Buch)

Auf der anderen Seite ist aber der Trend zu mehr Investitionen in den Klimaschutz aus der Wirtschaft zu erkennen. Zum einen liegt das am gestiegenen öffentlichen Bewusstsein und der Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten, zum anderen aber auch an der Möglichkeit, höhere Preise beim Kunden durchzusetzen. In der Energiewirtschaft steigen die Investitionen aus einem einfachen Grund: Die Preise für Strom aus Solar- und Windenergie sind bereits heute niedriger als für Strom aus fossilen Energieträgern.

Europa

Das Think Tank Influence Map hat eine Liste mit Firmen und Organisationen veröffentlicht, die ihren Einfluss nutzen, um gegen Klimaschutz zu lobbyieren. Angeführt wird die Liste von den US-Ölkonzernen Chevron und ExxonMobil, die durch die Invasion in der Ukraine Kapital schlagen wollen, indem sie für neue Öl- und Gasprojekt werben. Gleiches gilt für den deutschen Chemiekonzern BASF, der zudem seinen politischen Einfluss nutzt, um gegen den Carbon Border Adjustment Mechanism (siehe Carbon Border) der EU und für eine Reform des europäischen Emissionshandels zu lobbyieren. Mit Lufthansa (Platz 15) und BMW (Platz 16) schafften es zwei weitere deutsche Unternehmen auf die Liste, weil sie sich gegen eine Verschärfung der EU-Klimaschutzvorschriften wehren.

Influence Map klimaschädliche Konzerne

Neben einzelnen Unternehmen haben vor allem Organisationen und Dachverbände einen enormen Einfluss. Besonders auffällig ist, dass ExxonMobil, BASF und die BMW Group in allen drei Verbänden [(BusinessEurope, dem VDA (Verband der Automobilindustrie) und dem BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie)] Mitglied sind, die sich gegen zu starke Klimaschutzmaßnahmen aussprechen.

Influence Map klimaschädliche Vereine

Influence Map - Corporate Climate Policy Footprint (Bericht nach Anmeldung herunterladbar)

Abgesehen vom Dieselskandal ist besonders das CO2-Label ein gutes Beispiel wie viel Einfluss der VDA auf die deutsche Politik hat. Das Ziel des Labels sollte sein, dem Autokäufer eine Orientierung über die Klimaschädlichkeit eines Neuwagens zu verschaffen. Eine sinnvolle Kennzeichnung wäre die Angabe des CO2-Ausstoß in Gramm pro gefahrenen Kilometer. Da der VDA in die Absprache zwischen den Ministerien eingebunden war, wurde ein Label verabschiedet, dass den CO2-Ausstoß in Abhängigkeit vom Gewicht des Autos angibt. Damit schneiden vor allem schwere Autos – wie sie in Europa und vorwiegend in Deutschland hergestellt werden – relativ gut ab.

Neben dem VDA gibt es jedoch noch zahlreiche weitere Lobbyvereine in Deutschland, die sich gegen Klimaschutzmaßnehmen aussprechen, wie z.B. "Die Familienunternehmer e.V.".

Die Klimadebatte in den USA

info

In den USA konnten sich klimaskeptische Industrielle sowie politische Strömungen, unter anderem aufgrund des liberalen Systems, der größeren Ungleichheit und dem hohen konservativen Einfluss der Kirche besser ausbreiten. Dort wird bis heute über die Existenz des Klimawandels diskutiert. In Deutschland hingegen, wird die Debatte dadurch geprägt, Verunsicherung zu streuen und Maßnahmen zu verzögern.

Der Rolling Stone hat in seinem Artikel Climate Enemies eine Liste mit Personen veröffentlicht, die stark gegen Klimaschutzmaßnahmen lobbyiert haben. Eine ausführliche Datenbank ist auf der Seite von DeSmog zu finden.

Lobbying

Zuerst: Lobbying ist normal und gehört zu einem politischen Prozess dazu, um verschiedene Seiten zu berücksichtigen. Bei großen und komplizierten Gesetzesvorhaben können Politiker zudem auf die Hilfe von Lobbyisten (zu Deutsch: Interessenvertreter) zurückgreifen, damit diese den Sachverhalt verständlich erklären. Hier wird natürlich versucht die Sicht der Lobby hervorzuheben und Vorteile herauszuschlagen. Als Politiker kann man sich daneben noch verschiedene andere Meinungen einholen, um nicht ein einseitiges Bild zu bekommen. Manchmal ist es bei speziellen Vorhaben aber schwierig überhaupt noch andere Experten zu finden.

Einfluss

Schwierig wird es jedoch, wenn Lobbygruppen eindeutig gegen Gesetze agieren, die dem Wohl der Gesellschaft dienen. Industrielle Lobbygruppen haben hier den Vorteil, dass sie mit einer kleinen Interessengruppe und viel Geld zielgerichtet bei Politikern und in der Öffentlichkeit lobbyieren können. Auf der Gegenseite ist der Prozess etwas ungeordnet. Zwar können durch öffentlichen Druck bestimmte Vorhaben durchgesetzt werden, aber dafür muss die Öffentlichkeit erst darüber informiert werden.

Teilweise sind bestimmte Vorhaben so kompliziert und vermeintlich uninteressant (z.B. Finanzgesetze, wie die Eigenkapitalquote), dass eine breite Öffentlichkeit nicht darüber informiert wird. Ein weiterer Grund liegt in der journalistischen Aufbereitung, die deutlich mehr Aufwand bedeutet, aber zugleich potentiell weniger Klicks.

Hinzu kommt ein Ungleichgewicht der zur Verfügung stehenden Mittel zugunsten der Industrielobby. NGOs wie Umweltverbände haben schlichtweg nicht das Geld, um z.B. Lobbygruppen der Ölindustrie schlagkräftig entgegenzutreten. Ein weiteres Problem ist die mangelnde Transparenz und Wirksamkeit von Lobbyregistern: Die Eintragung z.B. in das EU-Transparenzregister ist freiwillig und selbst dann sind die Daten unvollständig.

Lobbyarbeit gegen gewisse Trends kann aber auch nachteilig für die eigene Branche sein. Ein gutes Beispiel hierfür ist die deutsche Autolobby. Sie hat durch ihre Größe als Arbeitgeber Druck auf die Bundesregierung ausgeübt und damit geringere Grenzwerte auf EU-Ebene verhindert. Durch geringere Grenzwerte, wäre die Automobilindustrie aber dazu gezwungen mehr auf Elektromobilität zu setzen. Durch den viel zu späten Anlauf der Elektromobilität und Softwareentwicklung bei deutschen Automobilfirmen, könnte dies insbesondere im absatzstärksten Markt China mit seinen zahlreichen Elektromobilitätsfirmen zu starken Verwerfungen kommen.

Es gibt aber Gegenbeispiele, in denen Hersteller von Fleischprodukten sich auf vegane Fleischersatzprodukte spezialisiert haben und damit gute Gewinne erzielen.

Wer lobbyiert wo?

info

Einen guten Überblick über Lobbying auf EU-Ebene geben die Seiten Corporate Europe und Integrity Watch.


Neben Lobbygruppen gibt es darüber hinaus Vereine, die den Klimawandel konkret leugnen, wie das AFD-nahe Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE).

Problematisch wird es zudem bei Vereinen, die augenscheinlich für den Klimaschutz sind, aber bei näherer Betrachtung, Verwirrung und Skepsis verbreiten, da eine direkte Leugnung des Klimawandels in Deutschland nicht zeitgemäß ist (siehe Infobox). Besonders deutlich wird das an der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die sich über den Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) finanziert. Bekannt ist der Gesamtmetall besonders durch seine Hefte mit dem blau/roten ME-Logo, die alltäglich in Industrieunternehmen ausliegen.

Zwar heißt es auf der Internetseite der INSM: "Der Klimawandel ist eine unserer größten Herausforderungen". Die Forderungen sagen jedoch genau das Gegenteil aus:

Forderungen INSM

Forderung eigentliches Ziel
eine staatliche CO2-Mengenbegrenzung (CO2-Deckel) Im Gegensatz zu einer CO2-Steuer sind Mengenbegrenzungen leichter verwaschbar
einen verlässlichen Klimaschutzrahmen Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen, mit der Begründung, dass politische Richtlinien fehlen
einen internationalen Klimaschutz: "Im Alleingang kann Deutschland den Klimawandel nicht aufhalten" Verantwortung weitergeben, auf andere zeigen
Technologieoffenheit Falsche Behauptung, dass die jetzige Technologie noch nicht ausreicht für einen effizienten Klimaschutz -> Hinderung an der klimaneutralen Transformation

Quelle

INSM - Positionen Klima

Gerhard Schick - Die Bank gewinnt immer (Buch)

Susanne Götze und Annika Joeres - Die Klimaschmutzlobby (Buch)

Auf klimafakten.de wird gut erklärt, was hinter den Argumente von Leuten steht, die gegen Klimapolitik arbeiten.